Abnahme der Orgel in der Taborkirche Wilhelmshagen am 27.10.2023
Widmung der Orgel in der Taborkirche Wilhelmshagen am 12.11.2023
Bei der beim Bau der Taborkirche 1911 auf der Orgelempore installierten Orgel von der Firma Paul Voelkner kam es nach dem Umbau durch die Firma Sauer Frankfurt/O 1958 vermehrt zu technischen Störungen. In den 1990er Jahren versagte die alte Voelkner / Sauer – Orgel zunehmend den Dienst. Die stetige Zunahme der technischen Störungen führte schließlich zur Unspielbarkeit der Orgel.
Nach langen Überlegungen und Beratungen zur Orgel in der Taborkirche wurde klar: Eine Reparatur der bestehenden Orgel ist keine sinnvolle Investition. Von verschiedenen zu Rate gezogenen Orgelbaufirmen wurde dringend zu einem Neubau einer Orgel in der Taborkirche geraten. Dafür fehlte der Kirchengemeinde allerdings schlicht das Geld, immerhin war bei einem Neubau mit Kosten von ca. einer halben Million Euro zu rechnen.
In den folgenden Jahren standen für die Rahnsdorfer Kirchengemeinde andere dringliche Aufgaben vor allem im Bereich der Gemeindegebäude im Vordergrund, so dass an eine Lösung des Orgelproblems in der Taborkirche nicht zu denken war. So ist in der Taborkirche lange kein Ton einer echten Pfeifenorgel erklungen; notgedrungen wurde nach der Stillegung der alten Orgel ein digitales Instrument eingesetzt. Eigentlich als provisorische Übergangslösung gedacht, sind darüber inzwischen sehr viele Jahre vergangen, in denen immer wieder andere Aufgaben der Gemeinde im Vordergrund standen. Immerhin konnte 2011 eine andere reparaturbedürftige Orgel der Gemeinde, die Dinse-Orgel in der Dorfkirche Rahnsdorf restauriert werden.
Auch wenn es in der Taborkirche Wilhelmshagen keine Pfeifenorgel gab – einen Mangel an Kirchenmusik gab es während dieser Zeit glücklicherweise nicht zu verzeichnen. Kantorei, Jugendchor, Kinderchor, Bläser und viele musikalische Gäste erfüllten die Kirche immer wieder reichhaltig mit Musik. Das 100jährige Kirchweihjubiläum der Taborkirche war 2011 allerdings Anlass, sich daran zu erinnern, dass zur Taborkirche auch eine richtige Orgel gehört. Von engagierten Orgelfreunden in der Gemeinde wurde das Projekt „AORTA“ (Aktion Orgel Taborkirche) ins Leben gerufen. Der Orgelausschuss der Gemeinde, motiviert durch den Erfolg bei der Restaurierung der Dinse-Orgel, befasste sich seitdem intensiv und regelmäßig mit den Möglichkeiten, der Taborkirche wieder zu einer Pfeifenorgel zu verhelfen. Dabei wurden viele verschiedene Möglichkeiten beraten. Es galt, sehr unterschiedliche Wünsche und Vorstellungen zusammenzubringen. Als ein Kompromiss in der Mitte kam schließlich die Überlegung auf, nach einer gebrauchten Orgel Ausschau zu halten, um diese dann in die Taborkirche umzusetzen.
Bei dem geringen Platz, der auf der Orgelempore der Taborkirche zur Verfügung steht, stellte sich diese Suche als große Herausforderung heraus, die viel Zeit in Anspruch nahm. Schließlich fand sich in Geesthacht in der Kirche St. Petri eine Orgel, bei der sich eine genauere Überprüfung lohnte. Die Geesthachter Kirchengemeinde reduzierte die Anzahl ihrer Kirchen und gab die St.-Petri-Kirche wegen schwindender Gemeindegliederzahlen auf. Für die 1967 von der Berliner Orgelbauwerkstatt Schuke erbaute Orgel wurde eine anderweitige Verwendung gesucht; sie wurde zum Verkauf inseriert. Nach den inserierten Angaben schien das Instrument für die Taborkirche Wilhelmshagen zu passen. Mitglieder des Orgelauschusses machten sich mit dem Orgelsachverständigen Frank Rossow auf den Weg nach Geesthacht. Nach der Prüfung vor Ort wurde klar, dass diese Orgel auf die Empore der Taborkirche passen könnte und von der Qualität her so beschaffen war, dass sich eine Umsetzung lohnt. Besonders erfreulich ist, dass die Maße der Orgel jetzt wieder das architektonische Raumkonzept der Empore mit zwei Fenstern in der Turmwand erlebbar machen. Die alte Orgel hatte diese Fenster komplett verdeckt.
Bevor das Projekt „AORTA“ konkret in die Tat umgesetzt werden konnte, gab es allerdings noch etliche Hürden zu überwinden. Nach jahrelanger Auseinandersetzung mit den zuständigen Behörden über den Denkmalwert der Orgel wurde 2019 die Genehmigung zum Rückbau der Orgel erteilt. Die Demontage der Orgel wurde 2019 durchgeführt. Um ein tragfähiges Finanzierungskonzept wurde lange gerungen. Schließlich konnte aber dank des großen Engagements von Einzelpersonen und von verschiedenen Institutionen die Gesundung der musikalischen Hauptschlagader „AORTA“ in der Taborkirche in Angriff genommen werden und die Firma Mitteldeutscher Orgelbau A. Voigt GmbH mit der Umsetzung der Orgel von Geesthacht nach Wilhelmshagen beauftragt werden.
Neben den nötigen Reparaturen am Pfeifenwerk und an der Technik der Orgel sollte auch eine klangliche Neuausrichtung des Orgelklanges realisiert werden. Kernstück dabei war es, dem Prinzipalchor der Orgel eine auf den Kirchenraum angepasste klangliche Charakteristik zu verleihen. Ein neues Register Posaune 16‘ gibt dem Orgelplenum im Bass die nötige Gravität. Außerdem wurde auch den technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts Rechnung getragen: Die Traktur der Orgel wurde elektrifiziert und Midi-kompatibel gemacht. Durch die Midifizierung ergeben sich neue Möglichkeiten der musikalischen Kommunikation und der stilistischen Entfaltung. So kann man dem Orgelklang weitere elektronisch erzeugte Digital-Register und Perkussionskomponenten hinzufügen. Außerdem besteht die Möglichkeit, die Orgel auch vom Altarraum aus anzuspielen. Die Orgel verfügt jetzt auch über einen elektronischen Setzer, der für den Spieler eine komfortable Möglichkeit bietet, verschiedene Registerzusammenstellungen schnell abzurufen.
Nach Abschluss dieser umfangreichen Arbeiten, die von der Orgelbaufirma Voigt dankenswerterweise mit großem Engagement und Fleiß vorgenommen wurden, konnte die Orgel am 12.11.23 mit einem Gottesdienst zur Orgelwidmung und einem Orgelkonzert offiziell in den Dienst gestellt werden.
Die Taborkirche Wilhelmshagen und die Orgel haben eine lange wechselvolle Geschichte hinter sich. Dem jetzt in den Dienst gestellten Instrument ist zu wünschen, dass es für viele Menschen Freude und Trost, Überschwang und Besinnlichkeit gleichermaßen bringt und dass nach langer Pause die Orgel jetzt wieder mit Pfeifenklang das Lob Gottes verkündet. © JR