Die Dinse-Orgel in der Dorfkirche Berlin-Rahnsdorf
Im malerisch an der Müggelspree gelegenen alten Fischerdorf Rahnsdorf (1319 erstmals urkundlich in einer Abrechnung der Burg Köpenick erwähnt) findet sich in der 1886/88 nach einem Brand neu erbauten Dorfkirche ein wichtiges Zeugnis Berlin-Brandenburgischer Orgelbaukunst. Orgelbaumeister August Ferdinand Dinse (1811-1889) gründete 1839 gemeinsam mit seinem Schwiegervater Wilhelm Lang die Orgelbaufirma Lang & Dinse. Beide hatten ihr Handwerk bei Carl August Buchholz (1796 -1884) gelernt, der in den ersten zwei Dritteln des 19. Jahrhunderts zu den wichtigsten Orgelbauern in Berlin und der Mark Brandenburg zählte und prägend für viele Orgelbauer im Osten und Norden Deutschlands wurde. Nach Buchholzschem Vorbild wurden in der Firma Lang & Dinse hochwertige Orgeln mit mechanischer Traktur gebaut, die mit relativ geringem Aufwand (Instrumente mit einem Manual und Pedal und 8-12 Registern) reichhaltige musikalische Möglichkeiten boten. Diese Tradition wurde von Dinses Söhnen Oswald Dinse (1845-1918) und Paul Dinse (1849-1916) nach der Firmenübernahme 1872 weitergeführt. Ab 1885 nannte sich die Firma „Orgelbau-Anstalt Gebrüder Dinse“, seit dieser Zeit trat die industrielle Fertigung von Orgeln mit pneumatischerTraktur in größeren Stückzahlen immer mehr in den Vordergrund.
In der Dorfkirche Rahnsdorf findet sich mit der 1888 erbauten Orgel eines der letzten Instrumente der Firma Dinse, die in gediegener handwerklicher Tradition mit mechanischer Traktur gebaut wurden. Bemerkenswert ist, dass der originale Orgelprospekt aus Zinnpfeifen erhalten ist, der während des ersten Weltkrieges bei vielen Orgeln zu Kriegszwecken abgegeben werden musste und durch minderwertige Zinkpfeifen ersetzt wurde.
Die Dorfkirchenorgel war ursprünglich dafür konzipiert, mit markant-kräftigem Klang die Choralbegleitung zu übernehmen. Sie bietet dank einer gut überlegten Registerzusammenstellung und einer optimalen klanglichen Anpassung an den Kirchenraum darüber hinaus viele Möglichkeiten, Orgelliteratur verschiedener Stilepochen zum Klingen zu bringen.
1952 wurde die Disposition der Orgel geändert, man empfand den Klang der Orgel als zu grundtönig und ersetzte deswegen das Register Salizional 8‘ durch eine Oktave 2‘ und ergänzte die Mixtur durch höher klingende Pfeifen. Das Register Flauto dolce 4‘ wurde zur Quinte 2⅔’ umfunktioniert, das kräftige Bass-Register Violon 8‘ mußte einem Choralbass 4‘ weichen. Damit klang die Orgel oberflächlich etwas barocker, aber das sehr geschlossene Klangkonzept von Dinse wurde aufgegeben.
1997 wurde die Orgel von der Potsdamer Orgelbaufirma Schuke gereinigt, mit einem neuen Gebläse versehen und nachintoniert.
Seit über 120 Jahren wird die Orgel in Gottesdiensten und Konzerten genutzt und hat sich dabei als sehr zuverlässig erwiesen; bis auf normale Wartungsarbeiten waren keine aufwendigen Reparaturen nötig. Irgendwann stellen sich aber auch bei dem zuverlässigsten Instrument altersbedingte Verschleißerscheinungen ein. Eine grundlegende Überholung wurde dringend erforderlich. Nach gründlicher Überlegung und Beratung im Rahnsdorfer Arbeitskreis Orgel und im Rahnsdorfer Gemeindekirchenrat wurde beschlossen, nicht nur die notwendigen Reparaturen am Pfeifenwerk und der Mechanik vorzunehmen, sondern im Zuge dieser Arbeiten auch die originale Disposition der Orgel aus dem Jahr 1888 wiederherzustellen. Für dieses Vorhaben engagierten sich dankenswerterweise viele Menschen und Institutionen mit Aktivitäten und Geldspenden, so dass der Auftrag für die Restaurierung der Orgel an die Firma „Mitteldeutscher Orgelbau A. Voigt“ erteilt und im Juni 2011 unter der Leitung von Orgelrestaurator Stefan Pilz abgeschlossen werden konnte.
Nach der Wiedereinweihung ist die Orgel in neuer alter Klanggestalt wieder regelmäßig in Gottesdiensten und Konzerten zu hören, wie z.B. bei den alle 14 Tage samstags um 18.00 Uhr stattfindenden Orgelmusiken in den Sommermonaten. Allen, die dieses Projekt unterstützt haben, ist sehr für ihr Engagement zu danken – möge die Orgel fürdie nächsten 100 Jahre und darüberhinaus weiter zuverlässig ihren Dienst zum Lobe Gottes und zur Freude fürdie Menschen tun. © JR